NRW-Umweltministerium will Pferde im Karneval besser schützen

NRW-Umweltministerium will Pferde im Karneval besser schützen

Der dicke Karnevalist auf dem Pferd, umringt von vielen feiernden Menschen bei einem Karnevalszug, das soll es in Zukunft nicht mehr geben. Ein Entwurf zu einer Leitlinie, die den Umgang mit Pferden beim Einsatz in Karnevalszügen regeln soll, wurde jetzt vom Umweltministerium NRW vorgestellt. Ziel ist es, den Schutz der Pferde im Karneval zu verbessern und gleichzeitig Unfälle mit Pferden bei Umzügen möglichst zu verhindern.

Auf der einen Seite soll der jahrhundertelangen Tradition von Pferden in Umzügen Rechnung getragen werden, aber auf der anderen Seite stehen Sicherheit und Tierwohl im Fokus. Um das zu verwirklichen, soll aus dem Entwurf schon bald eine verbindliche Leitlinie werden.
Für Veranstalter bedeutet das, in Zukunft verschiedene Maßnahmen ergreifen zu müssen, um die Empfehlungen umzusetzen.
Bei Umzügen müssen dann z.B. genügend Ausweichmöglichkeiten vorhanden sein, damit Engpässe umgangen werden können. Auch alternative Routen für Pferde und Pferdegespanne sowie Ausschleusungsmöglichkeiten müssen bedacht werden. Gleiches gilt für die Einrichtung von Versorgungsstellen für die Pferde. Vor Beginn des Umzuges und nach dessen Ende müssen Pferde mit Wasser und Raufutter versorgt werden.
Zudem muss garantiert sein, dass an jede Stelle des Weges innerhalb von maximal 10 Minuten ein Tierarzt gelangen kann.
Man empfiehlt weiterhin, gerittene und Gespann-Pferde am Anfang oder Ende eines Umzugs laufen zu lassen, und nach Möglichkeit nicht hinter einer Musikkapelle oder einer lauten Geräuschquelle.

Anforderungen für Reiter und Kutschfahrer steigen

Auch Reiterinnen und Reiter bekommen mehr Auflagen. Wer auf einem Pferd sitzt, ein Gespann fährt oder mit Pferden z.B. als Begleiter befasst ist, darf weder sein Handy nutzen (Notsituationen ausgenommen), noch Alkohol und Drogen vor und während des Umzugs konsumieren. Das Rauchen ist ebenfalls streng untersagt.
Reiter müssen über die entsprechende Grundausbildung und mehrjährige Erfahrung im Reiten und Umgang mit Pferden vorweisen. Als Mindestvoraussetzung gilt der Deutsche Reiterpass. Regelmäßiges Trainig - mindestens durch einen FN-Trainer C - soll für die erforderliche Reitpraxis sorgen.
Wer in einem Karnevalszug reiten möchte, wird in Zukunft auf seine Kalorienzufuhr achten müssen, denn das zulässige Reitergewicht darf maximal 15 % des Pferdegewichts betragen.
Führer von Kutschen müssen einen Kutschenführerschein der Klasse B besitzen und die Zuglast der Kutsche darf nicht mehr als das Doppelte des Körpergewichts des Zugpferds, bzw. der Zugpferde betragen.
Natürlich müssen auch die Begleitpersonen entsprechende Kenntnisse im Umgang mit Pferden haben und das Reitabzeichen 10 der FN besitzen.

Nur noch geeignete Pferde sind zugelassen

Jedes Pferd, das in einem Umzug eingesetzt wird, muss natürlich gesund sein, was auch durch einen Tierarzt vor Ort bestätigt werden muss. Die Sedierung von Pferden für einen Umzug ist nicht erlaubt. Man empfiehlt, Pferde zwischen 6 und 20 Jahren einzusetzen, die mit den besonderen Anforderungen besser umgehen können sollen.
Wichtig ist auch, dass die Pferde nachweislich und wiederholt auf den Einsatz vorbereitet werden. Eine Gelassenheitsprüfung wird hier z.B. als möglicher Nachweis genannt und darf nicht länger als drei Monate zurückliegen. Sie muss jährlich wiederholt werden.

Kommentar: Viele gute Ansätze, aber …

… es gibt noch Luft nach oben. Zu begrüßen ist auf jeden Fall, dass das Tierwohl von Pferden bei Umzügen, besonders im Karneval, mehr in den Fokus rückt. Richtig ist auch, mehr auf die Bedürfnisse der Tiere zu achten, für mehr Erfahrung und Wissen bei den Menschen zu sorgen und so auch die Sicherheit der Besucher solcher Umzüge zu verbessern. Wie allerdings ein Pferd in einem Karnevalsumzug nicht in die Nähe einer lauten Geräuschquelle gelangen soll, das bleibt schleierhaft. Wer einmal an so einem Event teilgenommen hat, der weiß, dass das gemeinsame Singen, das Abspielen von Musik, das Feiern mit anderen den Reiz ausmacht. Ob hier wirklich ausreichende Ruhe gewährleistet werden kann, bleibt fraglich.
Ebenso fraglich ist die Festlegung auf Ausbildungsnachweise und Trainer aus der FN-Welt. Denke ich an Tierwohl, kommen mir zuerst andere Organisationen in den Sinn, als die Reiterliche Vereinigung. Hier wäre die Erarbeitung von eigenen Standards, gemeinsam mit anderen Verbänden und der FN sicher der bessere Weg, der für die Zukunft noch eingeschlagen werden sollte.
Auch wenn es im Entwurf nicht steht, so ist doch zu hoffen, dass die Entwicklung in Zukunft wissenschaftlich begleitet wird, um zu prüfen, wie die Pferde mit Umzugssituation unter den neuen Bedingungen umgehen.
Wirklich gut sind die vielen konkreten Rahmenbedingungen, die nur wenige Spielräume offen lassen. Kein Alkohol, keine Drogen und kein Handy und die Kippe Fluppe muss auch aus bleiben. Gut so!
Das Reitergewicht auf 15 % zu begrenzen ist konsequent, setzt aktuelle Forschungsergebnisse um und könnte dafür sorgen, dass in Zukunft vermeintliche Gewichtsträger unter den Pferden von ihren schweren Lasten im Sattel befreit werden.
Interessant dürfte auch sein, wie diese Vorgaben in der Praxis kontrolliert werden. Sind dann vor Umzügen in Zukunft Wiege- und Messstationen zu finden? Und Kontrolleure, die alle Papiere ansehen und bei Verstößen auch Reiter, Gespanne und Pferde vom Umzug ausschließen?
Man darf gespannt sein.