Der Aufschrei in der Pferdewelt war groß, als Pferdetrainer Uwe Weinzierl in den ersten Folgen der neuen Pferdeprofis von VOX seine Trainingsmethoden zeigte. Neben vielen Protestaktionen wurde sogar eine Petition gegen seine Teilnahme an der Fernsehsendung ins Leben gerufen. Wir haben Uwe Weinzierl gefragt, was er zu der Situation sagt.
Der Shitstorm in den sozialen Netzwerken war und ist groß. Unnötige Show-Effekte (reiten auf fahrenden Hänger), falscher Umgang mit dem Seil, nicht richtig sitzende Knotenhalfter, am Knotenhalter angebundene Pferde, ein zu grober Umgang mit Pferden und mehr wurden Uwe Weinzierl vorgeworfen. Verschiedene Trainerinnen haben sich zu den neuen Pferdeprofis kritisch geäußert und offene Briefe an die Produktionsfirma Mina TV geschickt. Auch die früheren Pferdeprofis Sandra Schneider und Bernd Hackl kommentierten ungewohnt deutlich, was sie von diesen Methoden halten. Bernd Hackl greift mittlerweile in seinem YouTube-Talk sogar wöchentlich das Thema Pferdeprofis auf und gibt Einschätzungen zu den dort gezeigten Dingen Auch verschiedene Medien haben über die Vorgänge rund um die neuen Pferdeprofis berichtet.
Alle Seiten im Blick
Für Country-Reiten.de gehört es zur journalistischen Sorgfaltspflicht, die Standpunkte aller Beteiligten darzustellen. Deswegen ist nicht nur Babette Teschen, die Verfasserin des offenen Briefs, bei uns zu Wort gekommen, wir haben auch bei VOX und Mina TV um Stellungnahmen gebeten. Ein Interview mit der Petitions-Starterin Anna Hochberg folgt in Kürze.
Natürlich haben wir uns auch an Uwe Weinzierl gewandt, ihm einige Fragen geschickt mit der Bitte um Beantwortung und ihm so die Möglichkeit gegeben, seine Sicht der Dinge darzustellen. Schließlich ist eine Fernsehsendung immer nur die Essenz von Bildern, die aus einer Vielzahl an Material geschnitten wurden. Leicht können dabei wichtige Dinge eines Trainings über den Rand des digitalen Schneidetisches fallen oder der Gesamteindruck kann sich anders darstellen, als es vielleicht wirklich war.
Nachdem Uwe Weinzierl anfänglich zugesagt hatte, unsere Fragen zu beantworten, entschied er sich später jedoch dagegen, da er „nicht das Gefühl habe, dass in der aufgeheizten Atmosphäre weitere Statements meinerseits hilfreich sein könnten.“
Die entsprechenden E-Mails und unsere Fragen gibt es am Ende des Artikels.
Besser schweigen?
Immer wieder liest man in Diskussionen über die neuen Pferdeprofis nicht nur Argumente aus dem Pro- oder Contra-Lager, sondern auch Beiträge, die die Aufregung an sich hinterfragen oder die gezeigten Trainingsmethoden mit anderen Verhalten relativieren. Andere wiederum fürchten, dass durch die mediale Aufmerksamkeit noch mehr Menschen die neuen Folgen der Pferdeprofis anschauen. Immer wieder wird in der Diskussion auch darauf hingewiesen, welcher (seelische) Schaden den Beteiligten durch die massive – und leider oft nicht sehr sachliche – Kritik entsteht.
Ohne Zweifel ist die Frage berechtigt, ob es so viel Aufhebens um eine Fernsehsendung bedarf.
Auch dieser Artikel von uns und Beiträge von anderen Medien können aus den gleichen Gründen hinterfragt werden. Muss man wirklich darüber schreiben und Interviews veröffentlichen?
Ist die zusätzliche Aufmerksamkeit – auch wenn sie journalistisch-sachliche erfolgt, wirklich im Sinne des Tierwohls? Erhöht das nicht gar den kritischen Druck auf die Trainer*innen?
Besser nicht!
Das mag so sein - aber ist nicht genau das die Funktion von seriösen und unabhängigen Medien? Auf Dinge hinzuweisen? Missstände zu beleuchten und Ereignisse aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, sodass Lesende sich ein eigenes Bild machen können? Auch wenn das für die, über die berichtet wird, nicht angenehm ist oder sogar Folgen nach sich zieht?
Wir meinen ja! Und ohne Zweifel gilt es, bei der Berichterstattung sorgsam zu sein. Allerdings darf man nicht vergessen, dass Medien lediglich über etwas berichten, das andere praktizieren.
Es geht um die Pferde
Vor allem gibt es einen wichtigen Grund für diese Diskussion über die Arbeit der Pferdeprofis : Es geht um das Wohl der Pferde und um die Frage, wo deren Wohl durch menschliches Verhalten – aus welchen Gründen und in welchem Umfeld auch immer – gefährdet wird.
Das Wohl der Pferde steht an erster Stelle, sie selber haben keine öffentliche Stimme, mit denen sie ihr Gefallen oder Missfallen ausdrücken können.
Es geht um mehr
Natürlich sind es nicht nur die Pferdeprofis, die in der Kritik stehen. Es gibt viele weitere Beispiele, die man erwähnen kann und muss. So zum Beispiel Annika Schleu, die ein Pferd bei den Olympischen Spielen 2020 so behandelte, dass Reiten seitedem keine Disziplin mehr im modernen Fünfkampf ist. Oder auch Ludger Beerbaum, der zwar von Staatsanwaltschaft und FN freigesprochen wurde, dessen Trainingsmethoden aber dennoch Anlass zu Diskussionen geben.
Man kann hier auch das Thema Hobbeln anführen, das gerade während der vergangenen Equitana zum Ausschluss des Trainers Kay Wienrich geführt hat
Und ebenso finden sich im Hobby- und Freizeitreit-Bereich viele Beispiele, die Verbesserungspotenzial für das Pferdewohl haben.
Auf die Barrikaden
Und genau wegen all dieser „Fälle“, ob groß oder klein, müssen wir unsere Stimmen erheben – sachlich und in der Sache klar - und dafür sorgen, dass Pferden (und natürlich auch anderen Lebewesen) kein Unrecht geschieht. Das ermöglicht Diskussionen über das, was als Tierwohl-Gefährdung angesehen wird und was nicht. Diese Definitionen mögen juristisch vielleicht schon existieren, aber die ethisch-moralischen Grenzen liegen – vermutlich – deutlich höher.
Das mag mühsam sein, führt aber – hoffentlich – über kurz oder lang zu einem besseren Umgang mit Pferden und weniger Tierleid.
Fragen & Mails
Wir haben Uwe Weinzierl per Mail nach einem Interview gefragt und er antwortete uns am 5. März 2023, dass wir ihm gerne unsere Fragen zusenden dürften (siehe unten).
Am 13. März schrieb uns Herr Weinzierl dann folgende E-Mail:
Hallo Herr Erdmann, vielen Dank für Ihre Fragen. Das ist ja ein ganzer Katalog. Wann ist Redaktionsschluss für das nächste Heft mit anderen Worten: wie viel Zeit habe ich zur Beantwortung
Ein Foto kriegen Sie gerne.
Schönen Abend und liebe Grüße
Uwe Weinzierl
Als wir daraufhin nach gut einer Woche nachhakten, wo denn die Antworten bleiben, schrieb uns Herr Weinzierl am 23. März folgende Mail:
Hallo Herr Erdmann,
ich hab nicht das Gefühl, dass in der aufgeheizten Atmosphäre weitere Statements meinerseits hilfreich sein könnten. Ich habe mich daher der Haltung von Herrn Rütter angeschlossen. Lassen wir die Staffel laufen und reden danach darüber, was wir gesehen haben und wie das zu beurteilen ist.
Es wird mich sehr interessieren, wie Ihre Berichterstattung in dieser Angelegenheit weitergeht. Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden.
Mit freundlichen Grüßen
Uwe Weinzierl
Unser Fragenkatalog an Uwe Weinzierl:
- Hat Sie die große Resonanz überrascht, die Ihr erster Auftritt bei den Pferdeprofis erzeugt hat?
- Wie gehen Sie mit so einem Shitstorm um? Die Kritik ist ja nicht immer sachlich und manchmal sehr persönlich.
- Gab es neben den Reaktionen in sozialen Netzen auch noch Kritik auf anderen Wegen?
- Bekommen Sie als Pferdeprofi von VOX und/oder Mina TV Vorgaben für einen Fall oder haben Sie völlig freie Hand?
- Bisher haben VOX und Mina TV kaum oder gar nicht Stellung bezogen. Fühlen Sie sich von beiden ausreichend unterstützt in diesem Shitstorm?
- Wie viel Ihrer Trainingsarbeit in einem Fall sieht man am Ende in einer Folge?
- Von anderen Stellen hört man schon einmal, dass wichtige Trainingsschritte dem Schnitt zum Opfer fallen. Wie war das bei Ihren Fällen bisher?
- Nach der ersten Sendung hat man Sie kritisiert, weil Sie das Pferd beim Verladen mit zu viel Druck gearbeitet haben sollen. Was sagen Sie dazu?
- Auch in der Folge am Samstag haben Sie bei dem Pferd mit der Kuhangst am Anfang den Stick gegen dessen Kopf eingesetzt. Hätte eine sanftere Maßnahme und mehr Zeit hier nicht auch gewirkt?
- Wäre eine positive Bestärkung auch ein möglicher Weg zum Erfolg?
- In der Sendung sah es so aus, als wäre das Hängertraining ohne große Vorarbeit sofort gestartet. Wie lange haben Sie vor dem eigentlichen Hängertraining mit dem Pferd gearbeitet und welche Übungen haben Sie gemacht?
- Warum gab es zum Ende der Einheit noch die Aktion mit dem fahrenden Hänger? Das erschien uns, wie vielen anderen auch, mehr als reines Show-Element ohne großen praktischen Nutzen. Dafür hätten wir uns ein „Bitte nicht nachmachen“ als Einblendung gewünscht. Warm haben Sie sich dafür entschieden?
- Auch der Strick, den Sie um Ihre Hand gewickelt haben, wurde als gefährliche Praktik kritisiert. Natürlich haben wir auch Ihr Erklärvideo dazu gesehen und in der Folge am Samstag noch einmal darauf geachtet, wie Sie den Strick führen. Auch für uns sah es so aus, als wäre der Strick schon um die Hand gewickelt und könnte im Ernstfall für Verletzungen sorgen. Was sagen Sie dazu?
- In der Folge vom Samstag sah man direkt am Anfang Pferde, die mit Knotenhalfter angebunden waren. Wir haben gelernt, dass dies im Falle einer Panik zu schlimmen Verletzungen führen kann und man deswegen nie mit einem Knotenhalfter anbinden soll. Ist diese Lehrmeinung nicht mehr aktuell oder gab es einen Grund für diese Praktik?
- Wenn Sie die gesamten Reaktionen – positive wie negative – betrachten, hätte es aus Ihrer Sicht Dinge gegeben, die Sie und/oder Mina TV/VOX hätten anders oder besser machen können?
- Gibt es etwas, das Sie so überhaupt nicht mehr tun würden?
- Gibt es noch eine Frage, die wir Ihnen hätten stellen sollen, die hier fehlt?
Anmerkung der Redaktion: Wir haben nachträglich noch zwei kleine Änderungen ergänzt: Die Reiterin heißt Annika Schleu und wir haben ein fehlendes "l" ergänzt. Weiter oben haben wir das Wort "Fragenkatalog" gegen "Fragen" getauscht, da die Anzahl der Fragen noch keinen Katalog darstellt.